Frankfurt, New York Sam Altman hat mit OpenAI eines der wichtigsten Unternehmen mit aufgebaut, das sein Geld mit Künstlicher Intelligenz (KI) verdient. Mit seinem neuen Projekt will er nun eines der gravierendsten Probleme lösen, die durch die Verbreitung von KI entstehen: Wie lassen sich Menschen von Maschinen unterscheiden und KI-Fälschungen verhindern?
Eine Identifikationstechnik mit dem Namen World ID soll es jedem Menschen möglich machen zu beweisen, dass er eine reale Person ist, heißt es in einem auf der Website des Projekts veröffentlichten Whitepaper. Dazu werde ein Iris-Scan mit der neuen Kryptowährung Worldcoin kombiniert.
Das Prinzip dahinter: Das Abbild der Iris ist noch individueller und damit fälschungssicherer als ein Fingerabdruck. Die Daten aus dem Scan sollen auf einer dezentralen Datenbank, der Blockchain, hinterlegt werden. Das Projekt basiert auf der Ethereum-Blockchain. Die dazugehörige Währung Ether ist hinter Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung. Der Iris-Scan soll außerdem sicherstellen, dass sich nur echte Menschen bei Worldcoin registrieren und dass jeder Mensch nur einen Account bekommen kann.
Worldcoin: Iris Scan ist Pflicht, um ID zu bekommen
Um eine World ID zu erhalten, müssen sich die Nutzer für einen persönlichen Iris-Scan mit einem „Orb“ genannten Gerät anmelden, einem silbernen Ball von der Größe einer Bowlingkugel. Sobald der Iris-Scan bestätigt, dass die betreffende Person ein echter Mensch ist, wird eine World ID erstellt.
Diese ID soll dann eine sichere Unterscheidung zwischen KI-Bots und echten Menschen im Internet gewährleisten. Als Anreiz zur Registrierung sollen alle Menschen, die sich dem Iris-Scan unterziehen, den Kryptowährungs-Token WLD von Worldcoin erhalten – vorausgesetzt, die Gesetze der einzelnen Länder gestatten das.
Während der Testphase des Projekts haben bereits zwei Millionen Menschen das Angebot von Worldcoin genutzt. Mit dem offiziellen Start soll der Betrieb nun auf 35 Städte in 20 Ländern ausgeweitet werden. Auch in Berlin und München können Nutzer ihre Augen scannen lassen.
Seit Montagmorgen wird der WLD-Token auch offiziell gehandelt. Er startete bei 1,92 Dollar und stieg in der Spitze bis auf 3,31 Dollar – ein Plus von 72 Prozent –, bevor er einen Großteil der Gewinne im Tagesverlauf wieder abgab. Am Nachmittag kostete ein Worldcoin noch 2,54 Dollar.
Allerdings ist der Handel mit dem Token kompliziert. Auf Coinbase, Amerikas größter Kryptobörse, die auch in Deutschland aktiv ist, wird WLD nicht zum Traden angeboten. Die US-Börsenaufsicht SEC ist zuletzt rigoros gegen Kryptoprojekte und Börsen vorgegangen, die bestehende Wertpapiergesetze verletzen könnten. Altman entschied daher, den Token nicht in den USA anzubieten.
Auf Binance, der größten Kryptobörse der Welt, wird WLD indes gelistet. Zudem können Nutzer den Token über die Börse Uniswap gegen andere Token tauschen. Gerade für Nutzer, die sich nicht tief in der Kryptowelt auskennen, stellt das zusätzliche Hürden dar.
Um sicherzustellen, dass der Handel reibungslos funktioniert, hat Worldcoin auch gut 100 Millionen Token an sogenannte Market Maker bereitgestellt. Sie sorgen für die nötige Liquidität im Markt, damit Kunden zu jeder Zeit Token kaufen und verkaufen können. Am Montag wurden insgesamt 143 Millionen Worldcoins für den Handel freigegeben. Insgesamt soll das Projekt auf zehn Milliarden Token heranwachsen. Nach 15 Jahren können dann weitere Token geschaffen werden.
Vehikel für die Idee des staatlichen Grundeinkommens?
Längerfristig sieht sich Worldcoin auch als Vehikel für die Verteilung eines bedingungslosen staatlichen Grundeinkommens. Insbesondere Vertreter der Technologiebranche, etwa Tesla-Chef Elon Musk, propagieren diese Idee für eine Zeit, in der Fortschritte rund um Künstliche Intelligenz und Automatisierung immer mehr Arbeitsplätze überflüssig machen könnten.
In einem Interview mit dem Handelsblatt räumt Altman allerdings ein, dass eine Welt mit einem universellen Grundeinkommen noch „sehr weit in der Zukunft“ liege. Er habe auch keine klare Vorstellung davon, welche Instanz künftig solche Geldleistungen verteilen könnte, sagte er. Worldcoin lege aber den Grundstein dafür, dass solche Programme Realität werden könnten.
Worldcoin versichert, alle erfassten Daten seien anonymisiert und sicher. Dennoch hat Altmans neues Projekt bereits in der Testphase Kritik auf sich gezogen. Datenschützer warnen regelmäßig davor, biometrische Daten wie Fingerabdrücke oder Iris-Scans erfassen zu lassen und bei nicht staatlichen Institutionen zu deponieren.
Im April berichtete die renommierte Fachzeitschrift „MIT Technology Review“, dass Worldcoin seine erste halbe Million Nutzerinnen und Nutzer vor allem in Entwicklungsländern mit fragwürdigen Methoden rekrutiert habe. Dabei hätten Mitarbeiter Menschen mit Versprechen von Reichtum, aber auch mit Bargeld und Geschenken gelockt, um an ihre biometrischen Daten zu kommen. So könnte Worldcoin dem Bericht zufolge gegen geltende Datenschutzgesetze verstoßen haben.
Worldcoin: Projektgesellschaft sitzt in San Francisco und Berlin
Hinter dem Worldcoin-Projekt steht die Gesellschaft Tools for Humanity mit Sitz in San Francisco und Berlin. Sie wird von dem aus Deutschland stammenden Gründer Alex Blania geleitet, der seit Jahren eng mit Altman zusammenarbeitet. Das Unternehmen hat in seiner jüngsten Finanzierungsrunde im Mai 115 Millionen Dollar eingesammelt. Zu den Geldgebern gehörten unter anderem Blockchain Capital und der renommierte Risikokapitalgeber a16z.
Altman gilt als einer der entscheidenden Treiber der KI-Revolution. Er studierte Informatik in Stanford, brach das Studium ab, um mit 19 Jahren ein Technologieunternehmen zu gründen, das er nach ein paar Jahren wieder verkaufte. Anschließend übernahm er als Chef des Start-up-Accelerators Y Combinator eine Schlüsselrolle im Silicon Valley.
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Ende 2015 startete Altman gemeinsam mit dem Tesla-Gründer Musk und anderen Geldgebern OpenAI, zunächst als gemeinnütziges Projekt. Drei Jahre nach der Gründung kam es jedoch zum Richtungsstreit, Musk zog sich zurück.
Altman gab seinen Job bei Y Combinator auf, um Chef von OpenAI zu werden. Neben einer gemeinnützigen Stiftung wurde eine profitorientierte Tochterfirma gegründet, die mittlerweile eine enge Partnerschaft mit dem Tech-Riesen Microsoft eingegangen ist. Laut verschiedenen US-Tech-Medien hält Microsoft 49 Prozent an der Firma, die bereits investierten Geldgeber kommen zusammen ebenfalls auf 49 Prozent. Die Stiftung besitzt die restlichen zwei Prozent – und hat bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort.
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Erstpublikation: 24.07.2023, 13:38 Uhr (zuletzt aktualisiert: 14:47 Uhr).
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